Himmel über Wien
Das verkappte Paradies oder: Warum reicht das Firmament im Islamistentempel nicht bis zum Boden?
AusschreibungDas jenseitige Paradies sei das Reich des ewigen Glücks, sagt die Verheißung. Leider bestimmt auch dort nur der Chef, was glücklich macht, nicht man selbst. Also doch lieber das Diesseits optimieren! Derzeit kommt Islamismus medial gut, da liegt als Komplementärstrategie für das Exhibitionistische im Museumsquartier Introversion nahe. Vielleicht ein Rotationszentrum für Derwische, ein schreifestes Diskussionszelt für angehende Osamas aller verbildenden Künste oder eine Trainingszelle für Frischfundamentalisten in Architektur, Gesundheitswesen, Politik et cetera. Das MuQua wäre durch einen solchen Ort profaner Meditation und permanenter Mediation aufgewertet, meinte nicht nur das Az W, sondern auch die MuQua-Muttergesellschaft. Im weltweit ausgeschriebenen Architektenwettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren – verlangt war mindestens eine realisierte Koranschule während der letzten zehn Jahre, mindestens drei Bürohandys und ein Bürostandort nicht mehr als fünf Flugstunden vom Bauplatz – konnten mit Müh und Not zehn Bewerber gekürt werden. Im Wettbewerb stellte sich glücklicherweise ein Projekt rasch in seiner Einfachheit und Wirksamkeit als souverän und sogar realisierbar heraus, ein orientalischer Kachelüberwurf unter dem Wiener Ziegelgewölbe. Schon anhand der Entwürfe konnte man ins Schwärmen kommen: ein traditionelles, wenn auch massstabsverzerrtes, ornamentales Flechtwerk als abstrahierter Himmel für intellektuelle und spirituelle Höhenflüge, ein Paradies für Schwärmer, Schäumer und Träumer. Selbst der Geistlichkeit hätte die fertige Orientkammer als Gebetsraum einen trefflichen Ort abgeben können. Aber es kam anders, es kam zu einem fundamentaltheologisch-kunsttheoretisch ausgetragenen Richtungsstreit zwischen den großherzigen Stiftern über das wahre Muster: das Paradies erwies sich daraufhin als nicht komplettierbar, der Keramikhimmel über Wien war vorerst nicht zu erden. Zwar hatte die gemäßigt-laizistische Partei mit einer in der Türkei anerkannten, aus den Arbeiten Sinans bzw. der Manufaktur von Iznik wohl bekannten Ornamentik bereits scheinbar im Sinne des Architekten die Oberhand gewonnen und die Montage der Gewölbeverkleidung auf ihre Kosten durchgesetzt. Dann aber zeigten die drohend vorgetragenen Warnungen der Radikalopposition, dass dieser Weg nur in die Verwestlichung und Verwässerung führen kann: Baustopp in Terrorzeiten. In all dem Stress hatte der Architekt sogar auf die Verrohrung für die Elektroinstallation vergessen; entmutigt legte er angesichts der Chancenlosigkeit, den Mäzenen seinen Kompromiss anzudienen, den Auftrag zurück. Jetzt hängt die Medrese in der Luft, vom Geist einer Moschee weht nicht einmal ein Hauch, das Firmament reicht sichtlich nicht zur Erde, eine Lücke zur Wirklichkeit des Geistigen klafft. Als Zwischenlösung hat man wenigstens eine Caféteria eröffnet.
Walter M. Chramosta