Architekturwirklichkeiten VII: Kärnten
Malerische Begabungen
Albrecht Erlacher, Gerhard Freund, Fritz Klaura, Franz Marginter, Walter Moser, Dietmar Müller, Felix Orsini-Rosenberg, Herwig Ronacher, Eva Rubin, Reinhold Wetschko im Gespräch mit Christian Kühn, Juli 2002.
Gespräch
Architektur gibt es in Kärnten genug: Die Bilanz von mehr als zwanzig Jahren Landesbaupreis fällt durchaus positiv aus. Aber wieso hat sich bis heute kein Architekturklima herausgebildet, das mit jenem der Steiermark, Tirols oder Vorarlbergs vergleichbar wäre? Kärnten, meinte einer der Gesprächsteilnehmer, sei gekennzeichnet durch eine gewisse „Gefühlsverrücktheit und sehr starke malerische, künstlerische Begabungen“, die mit den sachlichen und wirtschaftlichen Aspekten der Architektur im Widerstreit stünden. Das Steinhaus von Günther Domenig ist aus dieser Sicht prototypisch für die zeitgenössische Kärntner Architektur: eine baukünstlerische Einzelleistung, formal bis aufs Äußerste gesteigert und bewusst abgekoppelt von allen Rücksichten auf Funktion und Budget. Vielleicht ist es kein Zufall, dass im Gespräch die Kritik von Seiten der Bauherrn heftiger als üblich ausfiel: Architekten seien unfähig zu wirtschaftlichem Denken, Formalisten ohne jedes Interesse für Funktion und Nutzerwünsche. Wer heute mit einem gut funktionierenden Gebäude Geld verdienen wolle, könne auf diese absterbende Profession getrost verzichten und sei mit einem technischen Planungsbüro besser bedient. Hinter solchen Generalisierungen, konterten die Architekten, stecke das Kalkül, Architekten zu willfährigen Erfüllungsgehilfen ökonomischer Interessen zu machen. Entscheidend für die Qualität sei stattdessen das partnerschaftliche Verhältnis zwischen Bauherrn, Architekten und Ausführenden, von der Entwurfsphase bis zur Realisierung. Ob diese Aufforderung zum Vertrauen Gehör findet, bleibt abzuwarten. Woran es Kärnten offensichtlich fehlt, ist eine Architekturszene, in der sich von gegenseitigem Vertrauen getragene Qualitätszirkel aus Auftraggebern, Architekten und Behördenvertretern herausbilden. Ein Land, das zu einem beträchtlichen Teil vom Tourismus lebt, ist gut beraten, in diese Szene zu investieren. Hier sei, waren sich alle Gesprächsteilnehmer einig, nicht zuletzt die Politik gefordert: mit transparenten Vergabeverfahren, klaren Rahmenbedingungen für Investoren und einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit für zeitgemäße Architektur und Regionalplanung.
Christian Kühn