Architekturwirklichkeiten I: Steiermark
Und keiner regt sich auf.
GesprächDass es bei einer Diskussion über die Hintergründe der Architekturpoduktion in der Steiermark unaufgeregt zugehen würde, war nicht zu erwarten: Immerhin hat die steirische Architekturszene einen Ruf als eine der virulentesten des Landes zu verteidigen. Ihren Erfolg verdankte sie bisher zu einem guten Teil einer spezifischen, auf politischer Ebene verordneten Progressivität von oben, die in den achtziger Jahren hervorragende Randbedingungen für innovative Leistungen herstellte. Heute haben sich diese Voraussetzungen geändert, und vor allem jungen Büros bietet sich kaum noch die Möglichkeit, eine Karriere über Projekte aus dem direkten oder indirekten Einflussbereich der öffentlichen Hand aufzubauen. Dass ein so wichtiger Bereich wie der geförderte Wohnbau in der Steiermark heute wieder so gut wie ohne jeden Qualitätswettbewerb entstehe, sei nur ein Indiz für die geänderte Situation. Diskutiert werde über das Thema Wohnbau in einer breiteren Öffentlichkeit schon lange nicht mehr. Über weite Strecken war das Gespräch, das am 26.Juni im HDA Graz stattfand, den neuen Architektenwirklichkeiten gewidmet, die sich aus dieser Situation ergeben: Erweiterung des Berufsbilds hin zu Baumanagement und Moderation, Projektentwicklung und Bildschirmarchitektur, neue Allianzen mit verschiedensten Partnern, um rasch auch große Aufträge abwikkeln zu können, oder doch besser die bisherige langsame Entwicklung vom kleinen Umbau hin zu immer größeren Projekten? Der Ruf nach Unabhängigkeit von den immer inkompetenter agierenden öffentlichen Auftraggebern blieb freilich nicht unwidersprochen. Es sei naiv, in einem von ökonomischen Kriterien gelenkten Umfeld ein natürliches Interesse an Qualität zu erwarten. Architektur brauche eine breitere Basis und auch auf der Ebene der Politik kompetente Akteure, die sich zur Qualität verpflichtet fühlten.
Christian Kühn