Architetkurwirklichkeiten VIII: Oberösterreich
Ausgeprägtes Harmoniebedürfnis
Andreas Heidl, Maximilian Luger, Gerhard Neulinger, Max Niernberger, Elsa Prochaska, Franz Riepl, Peter Riepl, Romana Ring-Szczurowsky, Wolfgang Schön, Erich Wiesner im Gespräch mit Christian Kühn
Im Prinzip wäre alles vorhanden, was eine innovative Architekturszene braucht: Ein äußerst dynamisches wirtschaftliches Umfeld, eine Kunst-Universität, Kulturinstitutionen wie das Ars Electronica Center und das Brucknerhaus, die auch internationales Ansehen genießen. Dass Architektur für die Ambition der Stadt Linz, sich von der Stahlstadt zur Kulturstadt zu entwickeln, eine wichtige Rolle spielt, lässt sich freilich nicht behaupten. Vielleicht ist das - wie einige der Gesprächsteilnehmer hoffen - nur eine Frage der Zeit: Die Universität ist jung und bietet erst seit kurzem ein vollwertiges Architekturstudium an, und auch die Erkenntnis, dass Kultureinrichtungen ein wichtiger Standortfaktor in der postindustriellen Wirtschaft sind, konnte sich erst in den letzten zwei Jahrzehnten durchsetzen. Das Image der Architektur hat sich dabei aber nur langsam verbessert. Immer noch würde die große Mehrheit der Bevölkerung diesen Begriff vor allem mit "explodierenden Kosten und Konfliktgefahr" verbinden - in einem Land mit ausgeprägtem Harmoniebedürfnis keine gute Startposition. Auf politischen Rückhalt darf Architektur daher weder in Linz noch auf dem Land hoffen, eher im Gegenteil. Bei großen öffentlichen Bauvorhaben - wie etwa dem neuen Dienstleistungszentrum des Landes - wird die Bauherrenverantwortung zusehends an private, in der Regel von Banken dominierte Bauträger abgeschoben. Auf dem Land gibt es zwar einzelne Bauten, die selbst den internationalen Vergleich nicht scheuen müssten, aber die überwiegende Mehrheit der Gemeinden orientiert sich lieber an Klischees des ländlichen Bauens, die zwar keinerlei Tradition haben, aber dafür eine hohe Akzeptanz. Der Angelpunkt für die Zukunft scheint in Oberösterreich die Auseinandersetzung mit den neuen Siedlungsentwicklungen zu sein. Wenn für jeden Bürger erkennbar wird, dass Stadt und Dorf keine Grenze mehr haben, sind neue Interpretationen von Urbanität und Landschaft gefragt. Interpretation bedeutet dabei nichts anderes als Gestaltung, auf der Ebene der Begriffe ebenso wie in der konkreten räumlichen Fassung vom Bebauungsplan bis zum Wohnungsgrundriss. Wenn es der Architektur gelingt, sich in diesem Prozess als glaubwürdiger Partner zu etablieren, wird sie auch dort, wo Konfliktvermeidung an höchster Stelle steht, den notwendigen politischen Rückhalt finden.
Christian Kühn