Eine Einmischung der Fachwelt
Forum empfiehlt, 24.06.2013
Die Ringstraße ist nicht mehr Glacis – und wird nie Piazza San Marco werden: die Idee eines Campanile muss hier zur Lächerlichkeit eines Postkartenmotivs schrumpfen. Dessen Wiederholung, als Markierung an jeder Ecke, macht’s nicht besser. Solche Gestik ist hier fehl am Platz. Das war auch Camillo Sitte klar, dessen „Verbesserungsvorschläge“ das Polygon zwischen Schotten- und Opernring in eine Abfolge mittelmäßiger Dom-, Rathaus- oder Museumsplätze verwandelt hätten. Auch er hat verkannt, dass da rund um die Wiener Innenstadt die wohl weiträumigste Verwirklichung von „romantischem Städtebau“ entstand. Den hatte Schinkel wenige Jahrzehnte zuvor als Konsequenz aus der Revolution einer „autonomen“ Architektur vorausgedacht: frei in ein Kontinuum aus Parks und Alleen eingesetzte, klar lesbare Baukörper. Ein „Maßstabssprung“ ist hier unnötig. Urbane Dichte korreliert hier nicht mit baulicher Verdichtung. Stattdessen wäre, gleichberechtigt neben Blöcken und Monumenten, auch den Freiraum als Protagonist dieses Stadtgebiets zu sehen.
Ob am Ring oder an der Wagramer Straße: Die Empfehlung gilt der professionellen Einmischung. Gefragt sind Stadtanalysen, die neben morphologischen auch den ideengeschichtlichen, semantischen, sozialräumlichen und perzeptiven Dimensionen nachgehen – Voraussetzung, um über typologische Regelpläne langfristige Rechtssicherheit und eine erkennbare Stadt zu gewährleisten oder zu gewinnen.
von Andreas Vass für die ÖGfA – Österreichische Gesellschaft für Architektur