Feine Antennen
Forum liest, 10.10.2011
Im mystischen Waldviertel tragen sich seit jeher merkwürdige Dinge zu, über Zeichen teilt sich der Kosmos mit, jüngst beobachtet auf dem Ziegeldach der romanischen Kirche von Rodingersdorf. Dessen knallig buntes Erscheinungsbild erinnert zunächst an die Verpixelung, wie sie bei der übermäßigen Vergrößerung digitaler Bilddateien entsteht. Ansatzweise lesbar die beiden Wappen, weniger
aufschlussreich dagegen die Ornamentik des restlichen Dachdisplays. Verschwörungstheorien witternd, kann man in der blauweißen Bemusterung Bildsymbole für drahtlose Netzwerke festmachen. Wer hier extraterrestrische Kräfte vermutet, wird schon im Nachbarort Doberndorf fündig, wo der zugehörige Router, getarnt als Papstwarte, steht. Hört man sich im Ort um, erfährt man, dass Initiative und Entwurf für Dach wie Turm just auf ein und dieselbe Person zurückgehen – Bauingenieur und Statiker Robert Krapfenbauer. Welche geheime Botschaft so unters Volk gebracht werden soll, entzieht sich unserer Kenntnis. Aber vielleicht muss man hier nur Adolf Loos‘ berühmtes Zitat aus „Ornament und Verbrechen“ paraphrasieren: Man kann die Kultur eines Landes an dem Grade messen, in dem die Kirchendächer tätowiert sind.
von Hannah Bruckmüller für ORTE Architekturnetzwerk Niederösterreich