Weihnachtsmärkte
Forum warnt, 15.12.2014
Zukünftige Forscher über die Stadtkultur des frühen 21. Jahrhunderts werden diesem Phänomen Dissertationen widmen: Harmlose städtische Plätze verwandeln sich gegen Jahresende in kleinteilige Handels- und Gastronomiewelten, durch die sich punschgeladene Massen wälzen. Den Charme selbst gebastelter Urhüttensiedlungen haben sich nur die wenigsten dieser Märkte erhalten. Inzwischen ist das Business standardisiert, der Punsch hygienisch einwandfrei aus Granulat hergestellt, und die Verkaufsstände einheitlich gestaltet bis zur LED-Beleuchtung. Auf dem Wiener Rathausplatz gibt es den Markt erst seit 1975, was die Betreiber nicht daran hindert, ihm eine 700-jährige Geschichte anzudichten. Was macht diesen Markt, den allein drei Millionen Menschen pro Saison besuchen, und seine unzähligen Mitbewerber so beliebt? Der wirklichen Stadt haben sie jedenfalls eines voraus: hohe Dichte bei geringer Komplexität. Nach dem dritten Punsch verschwimmen die letzten Unterschiede, die Welt ist eine Christbaumkugel. Den Problemen der Stadt widmen wir uns wieder im Neuen Jahr.
von Christian Kühn für die Architekturstiftung Österreich